War alles zu viel Euphorie?
Kaum auf Bonaire angekommen, ging es zuerst in meine Unterkunft – zwei Nächte sollten reichen, dachte ich. Zwei Tage, um das Boot flott zu machen und drauf schlafen zu können.
Na ja… das war wohl etwas zu euphorisch gedacht.
Ich mietete mir wieder einen Roller, um mobil zu sein. Während ich noch darauf wartete (die Leute auf Bonaire sind nochmal deutlich entspannter als auf Curaçao), kam ein Freund des Vorbesitzers vorbei und brachte mir die Schlüssel. Der Eigentümer selbst war gerade nicht auf der Insel.
Endlich auf dem Roller, rauschte ich voller Vorfreude zum Boot – und wurde gleich auf den Boden der Realität geholt.
Vor dem Grundstück wurde heftig gebaggert, überall Staub, Erde, Lärm – und das Boot? Komplett mit einer braunen Staubschicht überzogen. Ein echtes Wüsten-Schiff.
Ich ließ mich davon nicht abhalten und kletterte an Bord. In Gedanken machte ich Listen, was ich alles richten müsste, um überhaupt an Bord wohnen zu können. Es war überwältigend – ein Chaos aus losen Paneelen, verstaubten Polstern und halbtoten Leitungen. Ich begann zu putzen, räumte herunterhängende Verkleidungen raus und entsorgte gleich den ersten Haufen Müll.
Dann kam die Toilette dran. Schwer zu sagen, wann die das letzte Mal funktioniert hatte – immerhin war sie nicht schmutzig. Ich baute die Pumpe aus, versuchte den Hebel zu lösen – ohne Erfolg. Also ab auf den Roller, zu Budget Marine, und eine neue Pumpe gekauft: 189 Dollar weg.
Auf dem Rückweg noch schnell eine neue Starterbatterie – die alte war völlig tot, tiefentladen. Noch einmal 230 Dollar weniger im Portemonnaie.
Zurück am Boot baute ich die neue Pumpe ein – Erfolg! Die Toilette funktionierte. Wenigstens etwas.
Dann kam der Motor dran. Trotz neuer Batterie – kein Erfolg. Ich begann zu zweifeln. War das Ganze vielleicht doch zu viel Hoffnung und Bauchgefühl? Immerhin hatte ich wegen des “defekten” Motors 1.000 Dollar Rabatt bekommen. Und nun stand ich da, ohne Werkzeug, nur mit einem Schraubenzieher und einer Kombizange bewaffnet.
Nach Stunden des Schweißes und Frusts gab ich auf, fuhr zurück zu meinem Airbnb und gönnte mir etwas zu essen. Im Restaurant kam ich mit einem Amerikaner ins Gespräch – Jason, ein Taucher, dessen Buddy kurzfristig abgesprungen war. Ein sympathischer Kerl, aber leider fehlte mir die Zeit zum Tauchen.
Die Nacht war grauenhaft. Nicht nur wegen der Sorgen um das Boot, sondern auch wegen dieser Matratze. Sie war so durchgelegen, dass selbst meine Zeit in Afrika dagegen wie ein Luxushotel wirkte. Ich konnte kaum schlafen und wartete sehnsüchtig auf den Morgen.
Am nächsten Tag ließ ich den Motor links liegen und arbeitete mich durch die anderen To-do’s. Neue Leinen mussten her – das Vorsegel sollte endlich funktionsfähig sein. Also Maßband gezückt, alles vermessen, wieder ab zu Budget Marine.
310 Dollar leichter, aber mit einem Arm voll Leinen, fuhr ich zurück zum Boot. Als alles montiert war, nahm ich erneut den Motor in Angriff. Wieder kein Erfolg. Dann kam Gert vorbei – der Bekannte des Vorbesitzers – um zu helfen. Wir probierten alles Mögliche, aber nichts tat sich. Nach einer Weile musste Gert los. Und ich stand wieder allein da.
Ich betete leise um eine Idee – und tatsächlich, ein Gedanke kam: Die Glühkerzen!
Ich hielt den Vorglühknopf gedrückt, zählte 20 Sekunden und startete. Ein wenig Rauch, kein Start. Also stellte ich meine Kamera auf, um zu sehen, was unten im Motorraum geschah. Zweiter Versuch – 20 Sekunden Vorglühen, Startknopf drücken… und plötzlich lief die Maschine!
Ich sprang nach unten – kein Leck, kein Klopfen, nur ein fröhliches Knattern. Nach Monaten des Stillstands schnurrte der Motor, als wäre nie etwas gewesen. Ich überprüfte die Kühlung – alles lief perfekt. Nur ein wenig Rauch, aber das ist nach langer Pause normal.
Erleichterung pur!
Nur – der Motor wollte jetzt nicht mehr über den Stop-Knopf ausgehen. Erst will er nicht starten, dann will er nicht stoppen. Willkommen im Bootseigner-Leben. Ich stellte ihn manuell ab und grinste einfach nur – überglücklich und dankbar sendete ich mein Dankesgebet nach oben.
Toilette: läuft.
Motor: läuft.
Elektrik? Tot.
Ich bekam die Nummer des Elektrikers, der das Durcheinander hinterlassen hatte. Er meinte, ich solle mich mit der Victron-App verbinden. Gesagt, getan – Verbindung hergestellt. Der Batterieschutz war deaktiviert. Ich zögerte kurz, schrieb dem Elektriker, keine Antwort. Also drückte ich einfach auf „aktivieren“ – und siehe da: Lichter an! Strom! Schalter! Bordelektrik lief! – Die Elektronik und die Instrumente jedoch nicht
Endlich konnte ich aufs Boot ziehen. Toilette funktionierte, Strom war da, Wassertanks voll – und die Matratze war himmlisch im Vergleich zum Airbnb. Ich packte meine Sachen und zog ein. Mein neues Zuhause schwamm.
Nun musste ich nur noch die Papiere klären. Ohne Registrierung durfte ich Bonaire nicht verlassen. Der Makler ließ sich Zeit – ganze zehn Tage für eine Quittung! Ich machte Druck, und plötzlich ging’s. Binnen Stunden hatte ich die Bestätigung, zahlte 25 Dollar, und die Sekretärin meldete sich prompt: „Ihre Dokumente sind unterschrieben – aber nur, wenn Sie sich beeilen!“
Also Vollgas mit dem Roller quer über die Insel – gerade noch rechtzeitig. Dokumente abgestempelt, direkt weiter zum Zoll. Die Dame dort fragte nur: „Wann segeln Sie los?“
„Morgen früh um acht“, sagte ich spontan.
Sie nickte, machte alles fertig, und kurz darauf stand fest: Ich darf auslaufen.
Etwas nervös deckte ich mich noch mit Wasser und Snacks ein – man weiß ja nie.
Am nächsten Morgen sprang der Motor ohne zu zögern an. Ich machte das Boot klar, löste die Leinen. Der Wind drückte voll auf den Bug, der Kanal war eng, die Ausfahrt hinter mir. Zwei Bauarbeiter standen zufällig in der Nähe – perfekte Gelegenheit. Ich bat sie, auf mein Kommando die Bugleine zu lösen. Sie nickten, ich gab das Zeichen – Leine los, Achterleine weg, Motor ein, und das Boot drehte sich elegant in den Wind.
Drei Minuten später war ich draußen – freie See, tiefer Atemzug, dieses Gefühl von endlich unterwegs sein.
Die Instrumente funktionierten nicht – kein Plotter, kein Autopilot, nichts. Also Handsteuerung, Kompass und Google-Maps – Oldschool-Segeln wie zu Zeiten von Columbus, nur allein.
Bonaire wurde kleiner, die Wellen größer. Drei Meter See, alles rollte und krachte. Ich wollte das Vorsegel setzen, aber mit einer Hand steuern und mit der anderen Segel bedienen – unmöglich. Also weiter unter Motor.
Nach ein paar Stunden tauchte Klein Curaçao am Horizont auf, dann die Küste. Der Golfstrom zog mich kräftig nach Nordwesten, ich musste kämpfen, um nicht an die Nordküste gedrückt zu werden. Die See war kabbelig, Kreuzwellen peitschten über den Bug, unter Deck flog alles durcheinander – Wasserflaschen, Werkzeuge, Kamera. Ich hoffte nur, dass sie heil blieb.
Nach zähem Kampf rund um den Ostpunkt wurde das Wasser ruhiger. Noch zwei Stunden entlang der Küste, und ich war vor der Hafeneinfahrt.
Ich rief die Marina an, bat sie, die Brücke zu öffnen – und kurz darauf schwang sie sich auf. Fender ausgebracht, Leinen bereit, Adrenalin pur.
Das Anlegemanöver lief besser als erwartet. Der Marinero nahm die Leinen an, und wenige Minuten später war ich fest. Acht Stunden auf See, kein Autopilot, nur Wind, Sonne und Konzentration.
Ich war wieder auf Curaçao – müde, mit leichtem Sonnenbrand, salzverkrustet, aber glücklich. Der Motor hatte perfekt durchgehalten, kein Zwischenfall, kein Ausfall.
Am nächsten Tag kam das Boot aus dem Wasser – und wie es weitergeht, erzähle ich dir im nächsten Beitrag.







